Die Reise in den Süden
Die Schatten der Tannen vom Bubenlohwald wurden länger und länger. An diesem Abend
schien es, als würde die glutrote Sonne im nahen Moossee versinken. Eine kleine Waldohreule
namens Filou (sprich Filu) öffnete schläfrig eines seiner grossen Augen und gähnte herzhaft.
Er blinzelte ein wenig in die Abendsonne und drehte dann seinen Kopf ganz nach hinten.
Den Kopf so drehen zu können ist ganz praktisch. So haben Waldohreulen den überblick,
ohne dass sie sich im engen Nest gross bewegen müssen. Seine Mutter und sein Bruder Fred
schliefen noch. Wie fast jeden Abend war Filou der Erste , der wach wurde. Er drehte also
seinen Kopf wieder zurück und wollte ihn gerade unter seinen grossen rechten Flügel stecken,
um noch etwas weiterzuschlafen. Da flatterte plötzlich etwas ganz aufgeregt um ihn herum....
Der Frank
Sie legte die Papierserviette auf den Ast neben das Nest und schubste den, bereits rundlich gewordenen,
kleinen Kuckuck mit ihrem grossen Schnabel aus dem Nest auf die Serviette. Dieser reklamierte mit einem mordio Gezeter.
Doch Mutter liess sich nicht irritieren. Sie packte die vier Ecken der Serviette mit ihren Krallen zu einem Bündel zusammen.
"Wie nennen wir ihn?" fragte sie. Filou dachte kurz nach. "Ich glaube, ich würde ihn Frank nennen."
"Warum nicht, dieser Name passt zu ihm", sagte die Mutter. Und so fand Frank zu seiner neuen Familie....
Im Herbst wird es neblig
"Was ist denn dir heute über die Vogelleber gekrochen?" fragte Filou verwundert. "Hast du gesehen?" antwortete Frank.
"Das Blatt hier an unserem Baum ist gelb geworden." Er deutete mit seinem Flügel auf ein Blatt, das von einem Ast herunterhing.
"Na und?" Filou verdrehte die Augen. Was konnte denn daran problematisch sein? "Ja, verstehst du denn nicht?" zwitscherte Frank nun etwas aufgeregt.
"Wenn die Blätter nicht mehr grün sind, sondern gelb, braun oder rot, heisst das, dass es Herbst wird. Im Herbst wird es neblig, nass und kalt.
Dann wird es aber noch viel schlimmer. Dann kommt nämlich der Winter und plötzlich liegt überall weisser, dicker Schnee und dann",
Frank holt tief Luft, "gibt es nichts mehr zu Fressen!" ...
Wer bist du denn?
Mit grossem Staunen erblickte der König den kleinen Eindringling. "Wer bist du denn?", sagte er mit gebieterischer Stimme.
In der Zwischenzeit waren die Wachen ins Zelt gekommen und wollten Filou gerade packen, als der König die Hand aufhielt und Einhalt gebot.
"Stopp", die Eule trägt etwas in ihrem Schnabel, lasst sie uns zeigen, was sie bei sich trägt. Filou liess den Beutel fallen und der
wunderschöne Rubin rollte heraus. Die Männer staunten und die Wachen fielen vor Ehrfurcht auf ihre Knie und verbeugten sich
vor unserem kleinen Held. Der König sprach: "Kleine Eule, du hast uns unseren vermissten, wertvollen Familienbesitz wiedergebracht.
Du sollst dafür königlich belohnt werden."...
Der kleine Elefant
Ein kleiner Elefant ist in eine tiefe Grube gefallen und ruft mit seinem kleinen Rüssel herzzerreissend um Hilfe.
Seine Mutter und ein anderer Elefant, wahrscheinlich der Herdenführer und Vater des Jungen versuchten verzweifelt,
den Kleinen herauszuziehen. Doch leider vergebens. Die Grube war so tief, dass sie mit ihren Rüsseln den Kleinen nicht richtig
anzupacken vermochten. Der Mutter kullerten Elefantentränen aus den Augen. "Helfen wir da?" fragte Frank.
Filou blickte ihn verwundert an: ''Wie willst du dem Kleinen da heraushelfen? Der wiegt mindestens zweihundert Kilogramm und du,
wenn du gerade gefressen hast, vielleicht 200 Gramm....''
Zuschauer
Frank flog los in die Wipfel der riesigen Bäume und suchte eine geeignete Liane. Als er eine gefunden hatte, die genau über der Grube hing
und den richtigen Umfang hatte, hängte er sich mit seinen Krallen an die Liane und versuchte diese mit seinem Schnabel herunterzu- ziehen.
Sie bewegte sich keinen Millimeter. In der Zwischenzeit hatten sich kleine Affen, Meerkatzen, auf den Ästen versammelt und
schauten dieser Szene mit lautem Gekreische zu. Ein grosser Elefant, der Vater von Ratschi, hatte dem Vorschlag der beiden Vögel
in der Grube zugehört und Frank aufmerksam beobachtet. Er packte das herunterhängende Ende der Liane mit seinem Rüssel und zog daran,
als Frank noch einmal mit aller Kraft zupackte. Die Liane gab plötzlich nach und Frank sauste geradewegs in die Grube hinunter....
Eine Frau
Filou blieb zum zweiten Mal die Luft weg. Das waren ein bisschen viele Neuigkeiten in so kurzer Zeit.
Vor fünf Minuten hatte er gedacht, dass er seinen Freund nie wieder sehen würde. Und nun sass er da,
lebendig wie noch nie und präsentierte ihm seine Frau.
Argwöhnisch beäugte er dieses Frauenzimmer, das seinem Freund den Kopf verdreht hatte....
Wie ein Stein
Wie ein Stein fiel der kleine Kuckuck dem Boden zu.
Filou, der gerade zuschaute, verlor keine Sekunde.
Er legte seine Flügel an den Körper und schoss Frank hinterher.
Doch leider war es ihm unmöglich seinen Freund einzuholen.
Kurz vor dem Boden verschwand Frank in den Blättern eines riesigen Kastanienbaumes.
Filou musste sofort abbremsen, da er sonst riskierte hätte in einen Ast des Baumes zu fliegen.
Frank hingegen, der immer noch ohnmächtig war, wurde zum Glück von den vielen Blättern etwas gebremst
und plumpste von Ast zu Ast....